Leipzig 16.11.: Ultras vereint für die Sache
Am Sonntag, 16. November, um 11:30 Uhr, wird die Leipziger Innenstadt zum Schauplatz eines Bildes, das man in Deutschland nicht oft sieht: Ultraszenen aus allen Ecken des Landes laufen gemeinsam – Treffpunkt Goethestraße, nahe Hauptbahnhof. Unter dem Motto „Der Fußball ist sicher.“ geht es um weit mehr als einen Spaziergang. Es ist ein Moment, in dem die Kurve zeigt, dass Fankultur nicht nebenherläuft, sondern mitten im Herzen des Spiels steht.
Die letzten Male, an denen Ultras aus rivalisierenden Lagern gemeinschaftlich auf die Straße gingen, liegen Jahre zurück, in Berlin 2010. Demos, die damals schon gezeigt haben, wie groß die Schnittmenge ist, wenn es um den Erhalt von Fankultur geht. Jetzt, 2025, kommt es wieder dazu. Szenen, die sich sonst nicht einmal die Hand geben würden, treffen bewusst zusammen. Das passiert nicht aus Romantik, sondern aus Notwendigkeit. Die Botschaft ist deutlich: Wenn das Innenministerium an den Grundpfeilern von Fankultur sägt, findet man sich notfalls auch neben Leuten wieder, mit denen man sich im Ligabetrieb nichts schenkt.

Hintergrund der Demo sind Bestrebungen des Bundesinnenministeriums, Sicherheitskonzepte weiter zu verschärfen. Die Stichworte, die in den Kurven immer wieder fallen, heißen: personalisierte Tickets, Gesichtserkennung, digitale Kontrollsysteme an Stadioneingängen, zentrale Auswertungsstellen von Fanbewegungen, verschärfte Stadionverbotsrichtlinien. Für viele Fans fühlt sich das weniger nach „Sicherheit“ an und mehr nach einem Angriff auf Autonomie und Privatsphäre. Leipzig dient dabei nicht nur als geografischer Sammelpunkt, sondern auch als Bühne: ein Wochenende vor einem Länderspiel, mitten in einer Stadt, die sich gern modern, offen und sportaffin zeigt. Ein idealer Ort, um deutlich zu machen, was auf dem Spiel steht.
Im Innenministerium spricht man gern von „Gefahrenabwehr“, „Optimierung“ und „verbesserten Zugangsprozessen“. In den Kurven versteht man dahinter etwas anderes: den Versuch, Fans zu kontrollieren wie Flugpassagiere und Fankultur zu standardisieren wie eine Messehalle. Die Demo in Leipzig ist deshalb nicht nur Reaktion, sondern ein Gegenentwurf: Fußball als sozialer Raum, nicht als entseeltes Event. Kultur statt Katalogisierung. Block statt Barcode.
Was am Sonntag passiert, ist ein Ausnahmezustand – und gerade deshalb so wichtig. Ultras, die sich sonst über 90 Minuten plus Nachspielzeit feindselig gegenüberstehen, laufen Seite an Seite. Nicht weil sie plötzlich Freunde wären. Sondern weil sie wissen, dass dieser Tag Gewicht hat. Es zeigt: Die Kurve kann Rivalität ruhen lassen, wenn die Grundlage ihrer Existenz bedroht wird. Es zeigt: Politik kann Entscheidungen treffen, aber die Fans entscheiden, wie laut sie darauf reagieren. Und es zeigt: Die Liebe zum Fußball ist nicht käuflich, nicht messbar, nicht per Algorithmus verwaltbar.
In Leipzig wird Fankultur sichtbar, nicht verwässert. Ein Tag, der zeigt, dass man sich nicht auflösen lässt in QR-Codes, Datenbanken und Zugangskontrollen. Ein Tag, an dem die Straße lauter ist als die Sitzungssäle. Ein Tag, an dem klar wird, dass Fußball mehr ist als Sicherheitspapiere. Casualline steht vollständig hinter diesem Statement. Nicht aus Nostalgie. Nicht aus Trotz. Sondern weil Fankultur genau das verdient: Gesicht. Präsenz. Lautstärke.